
Mein Leben als 68er
«Die 68er-Bewegung hatte wie jede Bewegung, die eine Kultur umpflügt, die rabiaten Züge einer Massenpsychose. Und wie jeder Kollektivrausch, forderte auch dieser Opfer, individuelle, wie im Falle meiner Freunde, aber auch kulturelle und geistige. Wir waren definitiv nicht gescheiter als diejenigen vor uns. Viel tradiertes Weltwissen ist fahrlässig entsorgt worden, um Therapiefantasien einer im Grunde friedfertigen Menschenfamilie Platz zu machen, geträumt von einer Generation allseitig umsorgter, bürgerlicher Wohlstandskinder. Die 68er, die an die politische Macht gelangten, haben entsprechend darin versagt, die aktuellen Gefahren für die westlichen Kulturen zu erkennen und darauf zu reagieren.

Manche Dinge, die wir taten und für die ich, würden sie meine eigenen Kinder machen, die Wiedereinführung der Prügelstrafe fordern würde, finde ich trotzdem noch lustig – vielleicht weil sie das jugendliche Gefühl der Schwerelosigkeit nochmals aufleben lassen. Für anderes werde ich mich mein Leben lang schämen. Und es gibt kleinere Sachen, über die ich mich zu meinem eigenen Erstaunen immer wieder freue. So zum Beispiel der Gedanke, dass mein Vater doch noch erzählen konnte, dass sein jüngster Sohn an der Universität ist.»
Eugen Sorg, 2008
Video, Zürich, 1970: Autor mit Freunden und Genossen im Zürcher Lindenhof-Bunker, Sitz der von Jugendlichen ausgerufenen und bald wieder von der Polizei geräumten «Autonomen Republik Bunker». Sorg: Minute 3.45